Posted by on Feb 3, 2017 in PQR Akademie |

Let’s talk about money – Sprechen wir über Geld! 

Maßnahmen für Lohn- und Gendergerechtigkeit in der Film- und Fernsehbranche Ergebnisse der ersten Fachtagung am 19.1.2017 in den Räumen des BMFSFJ 

Beschäftigung, Marktpräsenz und Bezahlung bilden einen Dreiklang in den freien Berufen der Film-branche, besonders aber in der Regie.
In den zwei Gesprächsrunden KINO und FERNSEHEN wurde diese Korrelation deutlich: Eine Mehrbeschäftigung von Regisseurinnen ist der erste Schritt um den bestehenden Gender Pay Gap von bis zu 36 Prozent zu schließen. Man verständigte sich darauf, dass dies ein wichtiger Schritt sei, der nun gemeinsam gegangen werden soll.

Die geladenen Expertinnen und Experten (u.a. Patrica Schlesinger, Intendantin des RBB, Kirsten Niehuus, Intendantin des Medienboard Berlin Brandenburg GmbH, Michael Lehmann, geschäftsführender Vor- stand von Studio Hamburg, Claudia Tronnier, Leiterin ZDF Kleines Fernsehspiel) waren sich einig, dass noch viel getan werden muss, damit mehr Frauen in der Film- und Fernsehbranche engagagiert werden. Bis jetzt liegt die Zahl der beschäftigten Regisseurinnen in den Primetime-Formaten von ARD und ZDF bei durchschnittlich 12 Prozent. (Quelle: Studie, BKM, 2015 & BVR-Bericht, 2016) 

Das Interesse wurde von allen Seiten mehrfach bekundet. In diesem Zusammenhang wurde auch debattiert, wie der Wiedereinstieg nach Familienzeiten erleichtert werden kann.

Stereotype Wahrnehmungskriterien verhindern, dass Regisseurinnen engagiert werden. 

Zur Sprache kamen auch die üblichen Vorurteile und häufigsten Ablehnungsgründe gegenüber Regisseurinnen:

•Film als Hochleistungsindustrie könne nur erfahrene Regisseure beschäftigen, die mit den knappen Drehzeiten zurechtkämen.

•Man gehe lieber auf Nummer sicher und setze auf das Bewährte.

•Man traue Frauen höhere Budgets weniger zu.
Stereotype lassen sich aufbrechen, indem mehr Frauen vor und hinter der Kamera engagiert werden.
Die Quintessenz des Tages war: Am Gender Pay Gap in der Film- und Fernsehbranche und insbesondere bei der Regie muss dringend etwas geändert werden.
Das gute ist: Jede/r Einzelne kann sofort damit anfangen.
Das Studio Hamburg unter Leitung von Michael Lehmann geht mit gutem Beispiel voran und praktiziert das seit fünf Jahren mit guten Erfahrungen: In der Serie Großstadtrevier wird die 50/50 Quote 2017 bereits umgesetzt sein.

Workshops 

In zwei Workshops KINO und FERNSEHEN unter der Leitung von Ama Walton und Henrike von Platen wurden wirksame und machbare Maßnahmen diskutiert. Aus den Ergebnissen haben wir gemeinsam einen Maßnahmenkatalog zusammengestellt.

Manche Vorschläge bedürfen nur eines mutigen Voranschreitens einzelner Entscheidungsträger*innen, andere brauchen einen längeren Atem, wieder andere erscheinen utopisch, andere machbar.

Das wichtigste aber können wir alle sofort machen: Bewusstsein für die Schie age entwickeln und sie beseitigen. Hierzu kamen viele Vorschläge.

Lohngerechtigkeit und damit Gleichstellung kann einfach sein 

Die folgenden Maßnahmen für Entscheider*innen in Sendern, Produktionen und Filmförderung lassen sich sofort umsetzen: 

1.Einfach ab sofort mehr Regisseurinnen beschäftigen. Studio Hamburg hat es vorgemacht.

2.Geben Sie im Sender die Parole aus: Regisseurinnen fördern und anstellen.

3.Halten Sie bewusst nach Regisseurinnen und ihren Projekten Ausschau.

4.Auf Vorschlagslisten zu gleichen teilen Frauen und Männer setzen.

5.Lernen Sie Regisseurinnen kennen. Laden Sie sie ein.

6.Schärfen Sie Ihre Netzwerke. PQR kann Ihnen helfen, wir kennen über 400.

7.Sie haben Angst vor dem RISIKO? Bieten Sie ein Shadowing an für interessante Regisseurinnen,
die Ihr Format noch nicht gemacht haben.

8.Sie sind der Chef oder die Che n! Sie haben die Macht etwas zu verändern.

9.Ein kleiner Schritt für Sie, ein großer Schritt in Richtung Emanzipation unserer Gesellschaft.
Seine Sie mutig, schreiten sie voran!

Bewusstseinswandel beginnt im Kopf: Stereotype erkennen und verhindern 

Klischees von Frauen und stereotype Rollenbilder, die in vielen Filmen immer wieder reproduziert werden, prägen unsere Gesellschaft. Es sind diese Stereotype, die verhindern, dass Frauen als kreative starke Persönlichlikeiten wahrgenommen werden, dass Regisseurinnen, die starke Filme machen, mit interessanten Projekten und Budgets beauftragt werden. 

1. Vermeiden Sie stereotype Rollenklischees in Drehbüchern. Weisen Sie in Ihrer Funktion auf Stereotype hin und überlegen sie Alternativen.

2. Implementieren Sie Fortbildungen für Entscheidungsträger*innen bei Sendern und Förderanstalten, damit stereotype Wahrnehmungskriterien hinterfragt, verstanden und vermieden werden können.

3. Wenn Sender und Förderungen NEROPA *(siehe: Neropa) anwenden, um besonders bei Nebenrollen die Rollenbilder zu hinterfragen, können sie effektiv die Beschäftigungslücke zwischen Schauspielern und Schauspielerinnen verringern.
Regelmäßige Beschäftigung von Frauen führt zu mehr Lohngerechtigkeit.

Let’s talk about money… – Sprechen wir über Geld 

Transparenz bei Honoraren ist wichtig, um unfaire, niedrigere Bezahlung zu vermeiden. Reden wir über Geld – im öffentlichen wie im privaten Raum. 

1. Code of Conduct* für Produktionen einführen. Für faire, gerechte und geschlechtergerechte Arbeitsbedingungen und Verteilung der Ressourcen.

2. Gleichstellungsbeauftragte in Berufsverbänden und größeren Produktions rmen einführen, da freie Beschäftigte keine Stelle haben, an die sie sich wenden können.

3.Schaffen Sie einen solidarischen Austauschgeist über Arbeitsbedingungen und Honorare.

4.Frauen müssen lernen, entspannt und selbstbewusst zu verhandeln und zu fordern.
Männer müssen lernen, diese Forderungen zu akzeptieren. Auch hier geht es darum, Stereotype abzubauen. Wenn eine Frau hart verhandelt, wird das meist negativer bewertet als bei einem Mann. Hier greifen ganz alte Geschlechterklischees.

Lohndumping in der Film- und Fernsehbranche betri t Frauen und Männer! 

Gesetzliche Maßnahmen für mehr Lohngerechtigkeit und Transparenz. 

1.RegelmäßigesGender Monitoring für Sender und Kinoförderungen: wieviele Projekte und wieviele Gelder sind an Männer und Frauen gegangen? Entscheidungen begründen.

2. Gendergerechtigkeit als Kriterium für eine Projektvergabe einführen: Das Best Practice Beispiel Schweden zeigt: Eine Zielvorgabe kann sehr schnell etwas erreichen. In Österreich gibt es ein Punktesystem, in Spanien ist die Genderfrage ein Pluspunkt bei der Vergabe von Projekten. Die Frage nach gendergerechter Verteilung der öffentlichen Gelder und Projekte könnte also auch in Deutschland als eines der Kriterien für die Vergabe von Geldern und die Entscheidung für Projekte dienen.

3. Gleichstellungsparagraph in den Rundfunkstaatsverträgen und Medienverträgen verankern. Eine gendergerechte Vergabe öffentlicher Gelder sollte Maßgabe für Sender werden.

4.Eine Quote zur Beschäftigung von Regisseurinnen bei öffentlich-rechtlichen Sendern: Diese Sen- der sind das Nadelöhr zum Filmemachen. Die Beschäftigung im Fernsehen erhöht die Marktpräsenz und schafft in der Konsequenz größere Lohngerechtigkeit. Daher muss hier auf eine gendergerechte Verteilung von Jobs besonders geachtet werden.

5. Vergabegremien divers besetzen.

6.Nur Förderungen genehmigen, wenn Mindesthonorare und soziale Standards eingehalten sind.

7. Verbandsklagerecht* in der Filmbranche einführen.

8.Stelle zur Prüfung der Vergleichbarkeit einrichten.

9.Mehr Gelder für die Entwicklung von Sto en für Kreativteams Drehbuch/Regie unabhängig von Sendern und Produktionsformen bereitstellen.

Regisseurinnen sichtbar machen 

1. Altersdiskriminierung vermeiden. Hier sind wir alle gefragt.

2. Chancen vergeben: für Regisseurinnen, die sich um Wiedereinstieg bemühen oder bisher durchs
Raster gefallen sind.

3. Meet the Makers: ein Programm, das gezielt Regisseurinnen und Redakteur*innen zusammen bringt.

4. Coaching für Vertragsverhandlungen schon in der Ausbildung anbieten.

5. Frauennachwuchs gezielt fördern

6. Wissen verbreiten: Ergebnisse von Studien zum Thema Gendergerechtigkeit in der Film- und Fern-
sehbranche sollten auf einer eigens geschaffenen Plattform abrufbar sein.

7.Mehr Medienpräsenz für Regisseurinnen

8. Frauensolidarität: Frauen sind aufgefordert, gezielt Frauen anzustellen und weiterzubringen.

Die Film- und Fernsehbranche familienfreundlicher gestalten 

Der Wiedereinstieg nach Erziehungszeiten muss selbstverständlich werden. 

1. Erziehungszeiten bei der Marktbewertung und Bezahlung anerkennen.

2.Mit Förderprogrammen einen schnelleren Wiedereinstieg schaffen.

3. Präsenzkultur bewusst durchbrechen: Akzeptanz für flexible Arbeitszeitgestaltung erhöhen. Be- sonders in den Vorbereitungszeiten zum Beispiel können viele Dinge von zu Hause aus erledigt werden. Die Arbeitszeiten können an Kita- und Schulzeiten angepasst werden.

4. Förderprogramme und Geldtöpfe bei Sendern und Filmförderungen aufmachen für Mehraufwand und eine bessere Infrastruktur bezüglich der Kinderbetreuung.( z.B. Flüge nach Hause, Doppelbesetzung einzelner Teammitglieder mit Kindern, damit sie pünktlich Schluss machen können, oder am Wochenende nach Hause fahren können, Wohnmobile für Setmitglieder mit Kleinkindern, bzw. Kinderbetreuung am Set). Diese Maßnahmen kommen sowohl Vätern, als auch Müttern zu Gute.

5.Förderungen sollten einen Topf für Mehraufwand für familienfreundliches Drehen einrichten.

6. Kinderbetreuung als neues Gewerk am Set einrichten.

7. Kosten Kinderbetreuung zu Hause bei älteren Kindern absetzbar und förderbar machen.

8.Sender und Förderer müssen für mehr Familienfreundlichkeit und bessere, fairere Bedingungen Geld in die Hand nehmen.

9. KEF sollte darauf achten, dass solche Mehrproduktionsaufwendungen als Ausgaben anerkannt und abgerechnet werden können.

10. Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorleben.

Mehr Geld für faire Arbeitsbedingungen und Bezahlungen 

1.DieKEFsollteeinAugenmerkaufdieEinhaltungsozialerStandardsundgendergerechterVerteilung bei Auftragsproduktionen und Kinokoproduktionen haben.
Mehrkosten dafür sollten den Sendern gestattet sein.

2.Bei Auftragsproduktionen muss der Sparkurs aufhören. Auf diesem Wege dürfen keine sozialen Standards unterwandert werden.

3.Eine Enquete-Kommission einführen, um die Arbeitsbedingungen von Urheberinnen und Urhebern in Europa zu untersuchen, zu vergleichen und zu verbessern.

4.Firmen und Verbände sollten Frauennetzwerke unterstützen. (Beispiel: Frauennetzwerk Constantin, ZDF Medienfrauen)

5. Genderbeauftragte für die freien Gewerke in den Filmförderanstalten etablieren.

Pro Quote Regie e.V. www.proquote-regie.de